Beitrag zur Diskussion von der deutschen Koordination des Europäischen Verbindungskomitee „Gegen Krieg – gegen sozialen Krieg“
An die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Konferenz der Kampagne zu dem Aufruf „Keinen Cent, keine Waffe, kein Leben für den Krieg“ in Paris am 4./5. 10.2025
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
der Aufruf „Keinen Cent, keine Waffe, kein Leben für den Krieg!“ ist Ausdruck des Willens der europäischen Völker, Schluss zu machen:
- mit dem Völkermord der israelischen Regierung am palästinensischen Volk, mit der Unterstützung Netanjahus durch die europäischen Regierungen;
- mit dem Krieg in der Ukraine und der Kriegstreiberei durch alle europäischen Regierungen;
- mit dem sozialen Krieg, den Angriffen auf alle sozialen Errungenschaften der Völker.
Dafür sind in Europa Tausende aktiv geworden. Es gibt zahlreiche Demonstrationen, Diskussionsbeiträge, Erklärungen und Unterschriftensammlungen aus allen Teilen der Gesellschaft.
In den Gewerkschaften gibt es wichtige Diskussionen, wobei die Mehrheit der Gewerkschaftsführungen die Regierungen unterstützen.
Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass in Europa die Troika aus Starmer, Macron und Merz für Europa eine kriegstreibende Funktion in der Vorbereitung des Krieges einnehmen.
Deshalb trifft es die Realität, wenn es in dem Aufruf „Keinen Cent, keine Waffe, kein Leben für den Krieg“ im ersten Satz heißt: „Die europäischen Regierenden bereiten den Krieg vor.“ Das spiegelt auch die Realität in Deutschland auf allen Ebenen wider. Natürlich stehen im Zentrum die Milliarden und Abermilliarden für die Kriegshaushalte, auf Kosten der notwendigen Milliarden für die soziale Infrastruktur. Doch die Maßnahmen der Militarisierung und die Pläne für die Kriegsertüchtigung der Gesellschaft werden im täglichen Leben immer erfahrbarer. Im Folgenden führen wir nur einige Beispiele auf, die vielleicht eine Ahnung von dem ganzen Ausmaß geben.
In den politischen Disputen, in den Medien… werden wir systematisch auf die Unausweichlichkeit des Krieges vorbereitet.
Das beginnt mit der Definition des Kriegsgegners in Europa. Der Feind ist Russland. Das wurde in der Nationalen Sicherheitsstrategie 2023 in Deutschland verankert: Russland wurde als „größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Europa“ ausgemacht. Mit den Drohnen über Polen wurde diese politische Agitation demagogisch vorangetrieben – der Russe steht demnächst am Brandenburger Tor!
Das Grundgesetz, die deutsche Verfassung, verbietet den Angriffskrieg und die Vorbereitung darauf ausdrücklich (Art. 26). Um die Bestrebungen zur Kriegsvorbereitung zu vernebeln, wird mit der aktuellen Notwendigkeit verstärkter Verteidigungsmaßnahmen argumentiert, womit allerdings auch die Grundlagen für einen Angriffskrieg geschaffen werden können. Bundeswehr-Generalinspekteur Breuer formuliert es schon heute so: „Abschreckung muss nicht
immer reaktiv sein, sie hat auch aktive Komponenten“. Das umfasst die mögliche Vorbereitung eines Angriffskriegs, im Namen der „Verteidigung“.
Verschiedene zeitliche Szenarien werden in der Öffentlichkeit diskutiert, die meisten gehen von einem Kriegsbeginn 2029/30 aus. Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, nennt sogar ein konkretes Datum, den „27. März 2028“ und den Ort: „Narwa, Estland“. Diese Szenarien werden in Presse, Funk und Medien, in Talkshows immer und immer wieder diskutiert.
Auf der militärischen Ebene gibt es zahlreiche konkrete Kriegsvorbereitungsmaßnahmen
Deutschland hat sich verpflichtet, eine Führungsrolle in der NATO einzunehmen. Im Visier besonders: Schutz der Ostflanke. Dazu dient die ständige Stationierung von 4000 deutschen Soldaten in Litauen, die gerade umgesetzt wird. Das neue NATO-Ukraine-Kommando wurde in Wiesbaden Anfang 2025 eröffnet. In Rostock wurde ein neues maritimes Hauptquartier zur Sicherung der Ostseeregion eingerichtet, welches für die NATO die Überwachung durchführt.
Deutschland beteiligt sich am Aufbau der größten NATO-Basis in Rumänien.
Die Zahl und der Umfang der Militärischen Übungen, Großmanöver an der NATO-Ostflanke wie „Defender Europe“ und „Air Defender“ – größte NATO-Luftoperation seit Bestehen – wurden schon ausgeweitet. Die „Quadriga“-Manöverserie der Bundeswehr dauerte bis Ende September: Tausende Soldaten trainieren etwa die Verlegung ins Baltikum auf dem Land-, Luft- und Seeweg.
Hinzu kommen die umfangreichen Beschaffungen im Bereich der Luftwaffe mit Sicherung der nuklearen „Abschreckung“, neue Raketenabwehrsysteme, Beteiligung am European Sky Shield Initiative (ESSI); im Bereich Heer: neue Panzern, Artillerie, Munition; Marine: neue Schiffe und U-Boote zur Stärkung von Nordsee und Ostsee.
Im Zentrum sollen ab 2026 die neuen US-Mittelstreckenwaffen als Erstschlags- und Enthauptungsschlagwaffen gegen Russland stationiert werden.
Die Bundeswehr selbst soll von derzeit etwa 180.000 aktiven Soldaten auf 240.000 aufgestockt werden. Erklärtes Ziel sind auf Grundlage neuer NATO-Planungen sogar rund 260.000 Männer und Frauen in der stehenden Truppe, sowie 200.000 Reservisten, zurzeit sind es 49.000 aktive Reservisten. Dazu wurde die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland eingeleitet.
Erste sogenannte „Heimatschutz-Regimenter“ wurden als eigene Verbände aufgestellt und mit Aufgaben auch „nach Innen“ – zum Beispiel der „Aufstandsbekämpfung“ – betraut.
Auf der ökonomischen Ebene findet ein Auf- und Ausbau der Rüstungsproduktion statt
Es geht hier nicht nur um die Ausweitung der Kapazitäten, sondern ganze neue Fabriken entstehen. Rheinmetall hat Ende August die größte Munitionsfabrik Europas eröffnet. Dabei werden oftmals zivile Produktionen in militärische umgewandelt. So wird der Schiffbauer NVL von Rheinmetall übernommen, Waggonbau Görlitz baut statt Straßenbahnen in Zukunft Panzer.
Deutsche Autozulieferer wie Continental, Bosch, ZF und Schaeffler stellen auf Rüstungsproduktion um.
Es wird die Illusion verbreitet, die Umstellung auf Rüstungsproduktion könne die zunehmende Wirtschaftskrise und Welle der Deindustrialisierung ausgleichen. Halten wir fest, die derzeitige Krise ist die direkte Folge der Sanktionen gegen Russland, die Deutschland schwer
getroffen haben. Jetzt zeigt sich, dass die Ausweitung der Rüstungsproduktion Wohlstand beschleunigt vernichtet, statt neuen zu erzeugen. Die Arbeitslosenzahl hat die drei Millionen Grenze überschritten. Wie Kollegen es ausdrückten: früher haben wir lebenswichtige Waren produziert, jetzt produzieren wir für Vernichtung und Tod.
Auf der gesellschaftlichen Ebene
Kriegsvorbereitungen durchziehen alle Bereiche der Gesellschaft. In dem geheim gehaltenen regierungsoffiziellen ´Operationsplan Deutschland´ aus dem Frühjahr 2024 – entwickelt von Experten aus allen Bereichen der Bundeswehr und einer Planungsgruppe aus Bund, Ländern und Kommunen, also der Exekutive, gemeinsam mit den zivilen Hilfsorganisationen sowie Vertretern der Wirtschaft – wird der Platz und die Funktion aller gesellschaftlichen Einrichtungen, Funktionen, Berufe und auch der Menschen im Kriegsfall neu definiert. Das gesamte Gemeinwesen wird überprüft und in Richtung Kriegstauglichkeit umgestaltet. Gemeinsame Übungen z.B. zwischen Hilfsorganisationen, kommunalen Stellen und Bundeswehr finden schon statt. So wird beim NATO-Großmanöver „Red Storm BRAVO“ im September in Hamburg unter anderem die Anwendung des „Arbeitssicherstellungsgesetzes“ geprobt, das die Arbeitsagentur (Arbeitsamt) im Kriegsfall zum Arbeitszwang für fast jeden befugt. Unternehmen stellen mögliche Reservistenlisten und listen Transportkapazitäten auf, die sie der Bundeswehr zur Verfügung stellen.
Im Gesundheitswesen gehen die Kriegsplaner davon aus, dass 1000 Verletzte pro Tag versorgt werden müssen, davon 33,6 % intensivpflichtig, 22 % stark pflegebedürftig und 44,4 % leichter verletzt. Das geht beim kaputtgesparten Zustand des derzeitigen Gesundheitswesens voll auf Kosten der zivilen Gesundheitsversorgung, die sicher zusammenbrechen würde. Auch sind die Kriterien einer militärischen Gesundheitsversorgung andere als in der zivilen. Bei der Gesundheitsversorgung nach militärischen Kriterien, geht es darum, möglichst viele Verwundeten wieder frontfähig zu machen – also werden die 44,4 % Leichtverletzte zuerst versorgt.
Inzwischen werden die Beschäftigten auf gemeinsame Veranstaltungen von Regierung, Bundeswehr und Unternehmensleitungen darauf vorbereitet.
Im Hochschulbereich erhöht man den Druck, um die sogenannten Zivilklauseln aufzuheben – Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. In den Schulen sollen Bundeswehrkräfte als Teil des Unterrichts werben. Im Straßenbau, bei den Eisenbahnen geht es darum, sie den Kriegsnotwendigkeiten entsprechend (Panzertransporte) umzubauen.
Kriegsvorbereitungen durchziehen alle Bereiche der Gesellschaft.
Um Widerstandsbewegungen gegen ihre Kriegspolitik zu unterdrücken, weitet die Regierung Merz die Angriffe auf die demokratischen Grundrechte aus: über die Einschränkungen des Versammlungs- und Demonstrationsrechts, sowie der Meinungsfreiheit und der Gewerkschaftsrechte. Brutale Polizeieinsätze treffen vor allem Demonstranten, die ihre Stimme gegen die Genozid-Politik gegenüber dem palästinensischen Volk erheben. Über die Verschärfung des Gesetzes zur „Volksverhetzung“ wird staatlicher Willkür und Rechtsmissbrauch Tür und Tor geöffnet. „Spalte und Herrsche“: Besonders eklatant sind Kampagnen gegen Migranten und Asyl- Flüchtlinge, die durch ihre Kriegs- und imperialistische Ausbeutungspolitik zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen wurden. Sie fördern damit Rassismus und Fremdenhass.
Kriegsvorbereitung ist unvereinbar mit allen sozialstaatlichen Errungenschaften
Im März 2025 wurden vom Deutschen Bundestag unbegrenzte Kriegskredite gegen die Stimmen von der Partei Die Linke und das BSW beschlossen, wenig später schlossen sich die Vertretungen der Bundesländer an – auch die Länder, an denen die Linkspartei an der Regierung beteiligt sind. Es enthielten sich die Länder, in denen das BSW an den Landesregierungen beteiligt ist.
Ausdrücklich hat sich die Regierung für das Aufrüstungsziel von 5 % des BIP ausgesprochen.
Umgesetzt würde das bedeuten, dass fast die Hälfte des Bundeshaushaltes einzig für die Aufrüstung und das Militär zur Verfügung stehen.
Finanziert werden soll das durch ein Kaputtspar-Programm zum Abbau sozialer Errungenschaften. Alle Bereiche sind betroffen. Ob Schulen, Kindertagesstätten, Krankenhäuser, Jugendämter, Feuerwehr, Notdienste, Seniorenheime, soziale Einrichtungen, Öffentlicher Personennahverkehr, Kunst und Kultur… Für immer größere Teile der Bevölkerung wird Wohnen unbezahlbar; Armut breitetsich aus, wie auch die Obdachlosigkeit. Die Arbeitslosenzahlen steigen.
Überall fehlt Personal und die notwendigen Investitionen werden nicht geplant oder umgesetzt.
Marode Straßen, zusammenbrechende Brücken, einstürzende Schuldächer unpünktliche Züge, verfallender öffentlicher Nahverkehr, zerstörte Infrastruktur, investiert wird da, wo man es für den Krieg braucht.
All diese Probleme werden sich verschärfen.
Halten wir fest: Die Regierung Merz betreibt nicht nur eine Politik der Hochrüstung, sondern bereitet konkret einen Krieg gegen Russland vor. Sie hat dafür keine Mehrheit in der Bevölkerung.
Halten wir fest: Wir können nicht erfolgreich für soziale Forderungen kämpfen, ohne die Kriegspolitik und Kriegsvorbereitung der Regierung Merz zu bekämpfen.
Halten wir fest: Es sind die Völker, die den kriegstreibenden Regierungen in den Arm fallen müssen – heute!
In Deutschland haben wir gemeinsam eine kraftvolle Mobilisierung für den 3. Oktober in Berlin und Stuttgart vorbereitet: „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!‘ – Keine Waffenlieferungen und Rüstungsexporte an die Ukraine, Israel und in alle Welt!
Vereinen wir uns mit den Tausenden Aktivisten aus vielen europäischen Ländern auf dem Europäischen Meeting am 5. Oktober in Paris für die Sammlung einer Kraft in ganz Europa:
„Keinen Cent, keine Waffe, kein Leben für den Krieg“
Berlin, 26.9.2025
Für die Deutsche Koordination des Europäischen Verbindungskomitee „Gegen Krieg – gegen sozialen Krieg“:
Carla Boulboullé, Gotthard Krupp, Britta Brandau, Andreas Kutsche, Michael Altmann, Reiner Braun, Kathrin Otte, Harri Grünberg, Andrej Hunko
Kontakt: GotthardKrupp@t-online.de