Gastbeitrag (in Auszügen) von Azzam Abou al-Adas
Azzam Abou al-Adas ist Autor, Lehrer und politischer Analyst für palästinensische und israelische Angelegenheiten mit Wohnsitz in Nablus im Norden des Westjordanlandes, Moderator eines Telegram-Kanals mit 223.000 Abonnenten.

In letzter Zeit gibt es zahlreiche Diskussionen über den neuen Plan von Donald Trump zur Lösung des größten politischen Rätsels unserer Zeit: das Problem eines 360 Quadratkilometer großen Gebiets, das von zwei Millionen hungernden, gezeichneten, bedrückten Menschen bewohnt wird – und die sich weigern, irgendwohin zu gehen. Dieses existenzielle Dilemma betrifft nicht mehr nur Israel als imperialistische und räuberische Macht, sondern den gesamten Westen, der Gaza um jeden Preis loswerden will. Denn Gaza stellt nicht mehr nur eine Gefahr für Israel dar, sondern bedroht die gesamte Idee der westlichen Vorherrschaft über die unterdrückten Völker der Welt. Gaza hat nicht nur einen einfachen militärischen Krieg geführt: Es hat einen menschlichen Aufstand geführt, eine moralische Revolte, die alle Unterdrückten der Welt dazu inspiriert hat, sich zu erheben und für sich selbst und dann für Gaza zu kämpfen.
Zwei Jahre lang führte Israel einen Vernichtungskrieg von einer seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellosen Grausamkeit.
Dieser Krieg verfolgte ein wahnsinniges Ziel, das keine Macht jemals erreichen konnte: die vollständige Vernichtung von zwei Millionen Menschen und allem, wofür sie stehen.
Die zionistische Arroganz glaubte, dies erreichen zu können – Gaza von der Welt zu tilgen, es von der Landkarte zu streichen, wie man einen lästigen Fleck entfernt. Für den westlichen Imperialismus sollte dies (…) eine absolute Warnung an alle rebellischen Völker sein, Gaza sollte zum exemplarischen Kadaver einer fügsamen Menschheit werden.
Gaza sollte als Warnung dienen, wie ein Kadaver, der mitten im Nahen Osten liegen gelassen wurde, um zu zeigen, dass der Preis der Revolte die Auslöschung ist, dass der Preis der Freiheit die totale Zerstörung ist und dass der Preis des Wortes „Nein” Blut, Ruin und der Verlust von allem ist.
Aber es passierte etwas ganz Anderes
Die Bewohner von Gaza erwiesen sich als die hartnäckigsten Menschen und ihre Kämpfer als die hartnäckigsten in der Geschichte. Das Volk ertrug Mord, Hunger, Schrecken, Ruin – und leistete Widerstand. Sie kämpften mit ihrem Fleisch, mit ihren Knochen, mit ihrem Mut, manchmal ohne Waffen und ohne Schutz. Sie ertrugen den Verlust ihrer Häuser, ihrer Kinder, ihrer Gefährten. Sie hielten durch, einfach weil sie die Menschen dieses Landes waren – wie alle, die im Laufe der Jahrhunderte Widerstand gegen die Besatzer geleistet haben. (…) Die Welt begann daraufhin, Israel in einem tiefen Grab aus Empörung und Legitimitätsverlust zu begraben, sogar im Westen, der Wiege seiner Existenz. In diesem Moment tauchte Trump auf, getrieben von einem Anflug von eigennütziger „Menschlichkeit“, um Israel vor sich selbst zu retten. Er sah seinen unvermeidlichen Untergang kommen. Der Krieg musste beendet werden, bevor er alles zerstörte – und die israelischen Interessen mussten gerettet werden. Sein aufgezwungener Plan zielte darauf ab, Israel an den Verhandlungstisch zurückzubringen, um das zurückzugewinnen, was es auf dem Schlachtfeld nicht erreichen konnte.
Diese „Lösung“ von Trump wurde allen Akteuren, insbesondere Israel, diktiert, um es vor dem diplomatischen Zusammenbruch im Westen zu retten. Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät. Der Schaden war angerichtet. Der amerikanische Plan konzentrierte sich ganz auf die Befreiung der israelischen Geiseln, ohne das eigentliche Problem anzugehen: Gaza selbst. Alles andere blieb in der Schwebe, ungelöst.
Sein Projekt ist voller Widersprüche – es hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse.
Und diese Mängel können Israel auf lange Sicht nur schaden. Da ist zunächst die berühmte Idee von „Ost-Gaza” und „West-Gaza”: Trump möchte die Frage der Entwaffnung des Widerstands überspringen und direkt zum Wiederaufbau übergehen, indem er die Wiederaufbauhilfe als Mittel zur Erpressung einsetzt. In seiner Vorstellung würden in Ost-Gaza Milch, Honig und Baustellen nur so überquellen, während West-Gaza in Schlamm, Hunger und Verzweiflung versinken würde – bis die Bewohner freiwillig in dieses künstliche „Paradies” fliehen würden.
Das Problem liegt jedoch, abgesehen von der Mittelmäßigkeit der Trump-Doktrin, die durch das Scheitern seiner gesamten Außenpolitik bewiesen wurde, in einer Reihe unbeantworteter Fragen:
1. Auf welcher Grundlage würden die Bewohner dieses „Paradieses” ausgewählt werden? Israel behauptet, keine Bürger zu wollen, die mit palästinensischen Fraktionen in Verbindung stehen. Diese Fraktionen sind jedoch Teil des sozialen Gefüges: Es handelt sich nicht um Milizen, die aus dem Nichts aufgetaucht sind, sondern um Söhne des Volkes, Nachbarn, Lehrer, Ärzte, Arbeiter, Händler. Jeder greift zu den Waffen, wenn der Krieg es erfordert, und kehrt dann in sein Leben zurück. Wer bleibt also übrig, wenn nicht eine nicht existierende Bevölkerung?
2. Israel bleibt Gefangener seiner kolonialen Vorstellungswelt. Es behandelt die bloße Existenz der Palästinenser als Problem, das es zu beseitigen gilt. Seit zwei Jahren versprechen die israelischen Medien ihrer Öffentlichkeit die endgültige Vertreibung der Bewohner Gazas. Vor diesem Hintergrund würde jedes Wiederaufbauprojekt unter israelischer Aufsicht als Verrat, als Abkehr vom Kriegsdiskurs wahrgenommen werden.
An dem Tag, an dem ein Israeli auch nur einen einzigen Stein sehen würde, der unter der Aufsicht der israelischen Armee in Gaza gesetzt wird, würde dies zu einer internen politischen Krise von unüberschaubarem Ausmaß führen.
3. Was Trump betrifft, sokämpft er, verstrickt in seine Skandale – insbesondere das Wiederaufleben der Epstein-Affäre – und konfrontiert mit einer gespaltenen Republikanischen Partei, nun um sein eigenes Überleben. Wird er unter diesen Umständen wirklich in der Lage sein, sich Gaza zu widmen?
Wahrscheinlich nicht. Die Vereinigten Staaten selbst stehen vor tiefgreifenden Umwälzungen, die unweigerlich zu einem Rückgang ihrer Unterstützung für Israel, einem Verlust der Aufmerksamkeit für Gaza und damit zu einer Schwächung der Rolle Israels und seiner Entscheidungsfähigkeit führen werden.
In Wahrheit bleiben diejenigen, die nicht aus der Geschichte lernen, Gefangene der Geschichte. Die Geschichte lehrt uns, dass die Zeit immer für die Unterdrückten arbeitet. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr geraten die Tyrannen in Schwierigkeiten.
Trump weiß heute nicht mehr, was er tut. Er setzt auf Zeit und hofft, dass sich die Gaza-Frage von selbst lösen wird. Das ist eine Illusion. Das Problem wird sich weiter verschärfen. Israels Sicherheitsbesessenheit wird es ihm unmöglich machen, irgendeine Lösung zu akzeptieren. Gaza hat nun nur noch zwei Wege vor sich: Entweder Israel sprengt das Abkommen und beginnt erneut einen Krieg mit all seinen politischen und moralischen Konsequenzen, oder es bleibt in der Schwebe, gefangen in unvollendeten Fronten.
Die allgemeine Einschätzung der Lage in Israel ist klar: Israel steuert auf lange Jahre des Konflikts zu. Alle seine Grenzen sind unvollendete Fronten. Der Krieg in Gaza ist nicht vorbei und wird es auch so schnell nicht sein. Im Libanon bleibt die Hisbollah bewaffnet und aus der Ferne ungreifbar.
In Syrien dringt Israel immer tiefer vor, in Kontakt mit der Bevölkerung, und schürt das Feuer des drusischen Separatismus – und dieser Funke wird den Krieg wieder entfachen. Im Iran ist die Konfrontation in der Schwebe: Teheran rüstet auf, baut seine Abschreckungskräfte wieder auf und lernt aus den Schwächen Israels. Im Jemen holen die Huthi Luft, bauen ihre Waffenarsenale wieder auf; sie haben ihre strategischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Im Westjordanland steigt die Spannung: Die Zusammenstöße mit den Siedlern nehmen zu und lassen einen internen Konflikt erwarten, den Israel weder mit seinen Kräften noch mit seinen Mitteln kontrollieren kann.
Gefährlicher als all diese Konfliktlinien ist jedoch der Verlust des Ansehens Israels und der Verfall seines Erscheinungsbildes in der amerikanischen Gesellschaft. Zum ersten Mal wendet sich die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten von Israel ab. Was früher tabu war – die Unterstützung des jüdischen Staates in Frage zu stellen – ist heute Gegenstand täglicher Debatten.
Washington entdeckt, dass Israel kein strategischer Vorteil mehr ist, sondern eine Belastung: wirtschaftlich, militärisch, moralisch.
Die zionistische Lobby wankt, ihre Gegner gewinnen an Boden, ihr Einfluss schwindet. (…) Israel befindet sich bereits an mehreren Fronten im Einsatz, ohne die uneingeschränkte Unterstützung, die es für ewig hielt. Es handelt über seine Verhältnisse und lebt auf Kredit von einer schwankenden internationalen Hilfe. Die Zukunft verspricht ihm nichts anderes als zunehmende Isolation und schwindende Legitimität.
Auch die Welt steht vor einem gewaltigen Wendepunkt. Die weltweite extreme Rechte, dieser transnationale faschistische Block unter der Führung des Zionismus und seiner Verbündeten, treibt den Planeten in Richtung Polarisierung, Wirtschaftskrise und Selbstzerstörung. Diese reaktionäre, geschichtsfeindliche Strömung versteht die menschliche Existenz nur als ständigen Konflikt. Das erleben wir heute: Die amerikanische extreme Rechte demontiert ihre eigene Hegemonie, während die israelische Rechte den Nahen Osten und den Westen in einen endlosen Krieg treibt.
Dieses Chaos wird der „westlichen Welt”, die bereits durch den russisch-ukrainischen Krieg, migrationsbedingte Spannungen und wirtschaftlichen Niedergang erschöpft ist, nicht dienlich sein.
Es ist nun Aufgabe der fortschrittlichen Kräfte, der revolutionären Bewegungen und der freien Völker, die Krise des reaktionären Weltordnungssystems zu vertiefen und der imperialistischen Ordnung eine soziale, wirtschaftliche und politische Alternative entgegenzusetzen.
Die freien Völker müssen sich vereinen, sich radikal, mutig und revolutionär zeigen – radikal, mutig und revolutionär genug, um dieses entfesselte kapitalistische System zu stürzen, das die Menschheit in den Untergang treibt. Die Kräfte der Befreiung müssen die Welt jetzt retten; denn wenn wir diese faschistische und imperiale Hydra nicht besiegen, werden wir alle mit ihr untergehen.
Übersetzt aus dem Französischen aus Informations Ouvrières Nr. 885 vom 20.11.2025