Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Carla hat [in ihrer Eröffnung der Videokonferenz] auf die große Resonanz hingewiesen, auf die unsere Initiative für eine Europäische Konferenz „gegen den Krieg – gegen den sozialen Krieg“ in 14 europäischen Ländern gestoßen ist, für die heutige europäische video-Konferenz, als auch eine Präsenzkonferenz im Winter oder Anfang 2024.
Ich danke allen, die mit ihren Beiträgen und Grußadressen diese Konferenz unterstützt haben. In meinen folgenden Einführungen sind Gedanken, die von Euch entwickelt wurden, eingeflossen.
Sie sind Ausdruck für die wachsende Widerstandsbewegung der Arbeiterschaft und Völker, während die NATO und die Regierungen in Europa, unter dem Kommando der US-Regierung, den Krieg in Europa auf eine neue Stufe der Eskalation treiben.
Der NATO-Gipfel in Vilnius ist ganz darauf ausgerichtet, den Krieg gegen Russland durch immer massivere militärische Aufrüstung der Ukraine weiter anheizen.
Der Generalsekretär der NATO, Stoltenberg sagt es glasklar: „For as long as it takes.“
So sieht zum Beispiel der Plan der deutschen Regierung unter Scholz zur weiteren Stärkung der NATO-Ostflanke eine dauerhafte Stationierung einer robusten Kampftruppenbrigade von 4.000-5.000 Soldaten in Litauen vor.
Vom 12.-23. Juni wurde in Deutschland mit Air Defender 23 die größte Luftwaffenübung der NATO aller Zeiten absolviert. Damit unterstreicht Scholz den Anspruch Deutschlands auf die militärische Führungsrolle für die NATO in Europa.
Die spanischen Kollegen warnen zu Recht: „Die Erhöhung der Militärausgaben aller europäischen Regierungen ist brutal“.
Die Außenminister der Mitgliedstaaten der EU haben beschlossen, die Finanzmittel für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Ukraine und andere Partnerländer um weitere 3,5 Milliarden Euro aufzustocken. Es steht die Forderung im Raum: Deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf eine NATO-Zielvorgabe von 2,5 Prozent des BIP jährlich, zwei Prozent wären demnach die neue Untergrenze. Für Deutschland heißt das: Erhöhung des Rüstungshaushalts von 52 Mrd. auf zukünftig über 80 Mrd. bei 2%.
Immer gewaltigere Milliardensummen fließen zur Finanzierung von Waffenlieferungen an die Ukraine und an das Herrschaftssystem Selenskyjs. Und man muss es so sagen: Sie fließen an einen Oligarchenclan, der auf der Grundlage der Plünderung des Volkes gigantische private Vermögen anhäuft, und deren Verwaltung dem Finanzmarktkonzernen BlackRock anvertraut hat.
Und Putin? Er steht nicht für die Verteidigung des Volkes, sondern ebenfalls an der Spitze einer Oligarchie, die die Bodenschätze und Rohstoffe für ihre private Bereicherung ausbeutet.
Tag für Tag sterben Hunderte Russen und Ukrainer in diesen Kämpfen. Jeden Tag sterben auf russischer oder ukrainischer Seite Zivilisten unter den Bomben.
Es ist nicht der Krieg des ukrainischen, des russischen oder anderer Völker. Es sind die kriegstreibenden Regierungen unter US-Kommando, die alle europäischen Länder immer tiefer in diesen Krieg hineinziehen.
Und es geht nicht um „westliche Werte“ wie Freiheit und Demokratie. US-Präsident Biden steht für die Interesse der US-Konzernmultis; sie wollen die Kontrolle über die wertvollen Rohstoffe, Getreide und Bodenschätze sowie über die Öl- und Gaspipelines.
Kriegsprofiteure sind in allen Ländern vor allem die Rüstungskonzerne, denen der Krieg Abermilliarden Gewinne garantiert.
Dazu sagen wir Nein.
Die Mehrheit der Bevölkerung sagt Nein zur Ausweitung des Kriegs. Sie erheben sich gegen die Regierungen, die den Planeten mit einem dritten Weltkrieg bedrohen.
Die Demonstranten fordern: einen Waffenstillstand sofort.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Die gefährliche Spirale der Eskalation spornt uns an in unserem Kampf gegen den Krieg und den sozialen Krieg im eigenen Land.
Dazu NATO-Generalsekretär Stoltenberg: „Wenn sie mehr für Verteidigung ausgeben, ist weniger für Gesundheit, Bildung u.a. da.“
Eine Erkenntnis, die sich Scholz, wie er stolz verkündet: „zu 100 % zu eigen“ macht.
Zur Politik der Regierung gehört, dass die gesamte Wirtschaft den Anforderungen des Kriegs unterworfen wird. Der deutsche Bundeshaushalt muss zum Kriegshaushalt mutieren. Alle Ministerien werden von Finanzminister Lindner aufgefordert, ihre Ausgaben zu kürzen – mit Ausnahme des Kriegsministeriums.
Infolge des Wirtschaftskrieges, den Biden gegen Europa und dessen führende Industriemacht, Deutschland, u.a. mit der Sanktionspolitik gegen Russland, entfesselt hat, hat Deutschland eine Welle der Deindustrialisierung erfasst. Fast jeder 6. Industriebetrieb in Deutschland verlagert seine Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland, weil er die hohen Kosten der Energie nicht finanzieren kann. Betroffen sind gerade auch Handwerkbetriebe und kleinere Unternehmen, die nicht die milliardenschweren Subventionen der Bundesregierung erhalten.
Inflation und Verteuerung, u.a. Folgen der Sanktionspolitik, verlangen die Verschärfung der Kaputtsparpolitik gegen den Sozialstaat. Sie verordnen Reallohnkürzungen, über 1.000 Krankenhäuser sollen geschlossen werden, es gibt einen Kahlschlag gegen die Schulen und Kommunen…. Kinderarmut breitet sich aus…
Ihre Politik provoziert Widerstand, Massendemos gegen den Krieg „für Waffenstillstand, Verhandlungen und Stopp der Sanktionspolitik“, größte Streikbewegungen im öffentlichen Dienst… Demonstrationen und Kämpfe an den Krankenhäusern, den Schulen…
Deutschland nenne ich hier nur als ein Beispiel für die enge Verbindung des militärischen Kriegs mit dem sozialen Krieg gegen das Volk.
Ihr alle kennt die Bilder der Massenerhebungen gegen die Rentenreform Macrons in Frankreich und jetzt der Jugend, der die Bildung, die Zukunft geraubt wird. Jeder sechste hat nicht genug zu essen, wie die Kollegen aus Frankreich berichten.
Aus Rumänien berichtet der Kollege, dass als Antwort auf die durch den Krieg verursachte Inflation große Protestbewegungen im Gesundheits-, Bildungsbereich und bei der Eisenbahn das Land erschüttert haben.
Kollegen aus Dänemark schreiben, dass sich ihr Land „langsam, aber sicher von einem sogenannten Wohlfahrtsstaat zu einem militärischen Kriegsstaat wandelt“.
Und das, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ist unsere gemeinsame Erfahrung:
Nahezu alle Parteien, auch die, die sich auf die Vertretung der Interessen der Arbeiterbewegung berufen, ordnen sich dieser Kriegspolitik unter. Mit ihnen prallen die Kämpfe, Demonstrationen, die wachsenden Widerstandsbewegungen zusammen.
Die kriegstreibende und sozialzerstörerische Politik der Regierungen trifft auf eine wachsende Ablehnung. Die Wut der gesellschaftlichen Mehrheit schafft sich Ausdruck auf Wahlebene über die Proteststimmen für rechtsextreme Parteien, wie die AfD in Deutschland, die jetzt mit 19 % in den Umfragen gleichauf mit der SPD liegt (3. Juli). Weil diese sich gegenüber den etablierten Parteien – demagogisch – als einzige Partei gegen den Krieg und Waffenlieferungen an die Ukraine ausspricht.
Ihr kennt sicher alle den Beschluss des Parteivorstandes der Partei Die Linke, Sahra Wagenknecht aufzufordern, ihr Bundestagsmandat niederzulegen.
Sahra Wagenknecht gehört in Deutschland zu den konsequentesten Stimmen gegen den Krieg – für den Frieden, für Waffenstillstand und Verhandlungen. Sie hat es gewagt, diese Stimme auch im Bundestag gegen die Kriegs- und Sanktionspolitik der Regierung Scholz zu erheben.
Der Beschluss des Parteivorstands der Linken hat das Ziel, diese Stimme gegen den Krieg zu ersticken.
Wir sagen: Nicht Sahra Wagenknecht, sowie auch andere Abgeordnete, die ihre Stimme gegen den Krieg erheben, verletzen ihr Mandat als Abgeordnete – Nein, sie nehmen ihr Mandat wahr, denn sie geben dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung eine Stimme: gegen Krieg, gegen Waffenlieferungen und Sanktionen.
Mit dem Verweis darauf, dass in einer „Zeit der Umbrüche“ auch in anderen Ländern rechtsextreme Parteien stärker geworden seien, will Scholz darüber hinweg lügen, dass es die Politik seiner Regierung ist, die es der im Kern rechtsextremen AfD erlaubt, sich heute in den ostdeutschen Bundesländern als stärkste Kraft des Protestes gegen die Regierungspolitik zu profilieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Weder Putin – noch Nato!
Wir alle haben in unseren Ländern die Erfahrung gemacht:
eine Lösung wird nur durch den Widerstandskampf der Arbeiter und Völker gegen die kriegstreibende und sozialzerstörerische Politik der jeweiligen Regierung geschaffen.
Um an die Worte von Karl Liebknecht zu erinnern: „Der Hauptfeind (die imperialistische Kriegspartei) steht im eigenen Land!“ (Mai 1915) Oder um ein Zitat von Rosa Luxemburg zu nennen, an das uns Kollegen aus Frankreich erinnert haben: „In diesem Augenblick des Rüstungswahnsinns und der Kriegsorgien ist es nur die entschlossene Kampfstellung der Arbeitermassen, ihre Fähigkeit und Bereitschaft zu machtvollen Massenaktionen, was den Weltfrieden noch (…) erhalten kann“ (30. April 1913).
In einer Situation, in der die Regierungen die Völker und die Arbeitnehmer immer tiefer in eine militärische Eskalation treiben wollen, ist es von größter Dringlichkeit, dass die Widerstandskräfte ihre Erfahrungen austauschen und diskutieren, wie ihre Verbindung auf europäischer Ebene gefördert werden kann; wie sie sich in einem Netzwerk auf europäischer Ebene organisieren können, wie es in der Vorbereitung dieser Konferenz mehrfach vorgeschlagen wurde.
Wie kann sich die Widerstandsbewegung als eine Gegenmacht zu den herrschenden Regierungen organisieren? Das ist Gegenstand unserer heutigen Diskussion.
Wie können wir der Arbeiterschaft, den Völkern helfen, sich für die Aktionen gegen den Krieg und gegen den sozialen Krieg ihrer Regierungen in jedem Land zu mobilisieren? Sollten wir uns nicht in diesem Sinne das Ziel setzen, ein europäisches Verbindungskomitee „gegen den Krieg – gegen den sozialen Krieg“ zu schaffen?