Video-Grußadresse von Sevim Dagdelen (MdB, Die Linke)

Linke müssen die Kraft sein für soziale Gerechtigkeit und Frieden

Liebe Freundinnen und Freunde,

herzlichen Dank für die Einladung und diese wichtige Veranstaltung.

„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“, so hat es der frühere deutsche Bundeskanzler Willy Brandt einmal formuliert. In diesem Sinne müssen wir heute jede Initiative begrüßen, die den Frieden und nicht den Krieg gewinnen will.

Der Krieg in der Ukraine hat wie jeder andere Krieg eine Vorgeschichte. Der Krieg ist Folge der NATO-Osterweiterung bis an die Grenzen Russlands entgegen aller früheren Zusagen. So wie die USA an ihren unmittelbaren Grenzen etwa in Mexiko oder Kanada oder selbst auf Kuba Militärstützpunkte einer anderen Großmacht nicht dulden würden, so hat Russland immer wieder davor gewarnt, die Ukraine der NATO einzugliedern und für Militärstützpunkte und Raketenbasen der USA zu öffnen, die innerhalb von 5 Minuten Moskau oder Sankt Petersburg erreichen könnten.

Der Krieg in der Ukraine begann nicht mit den Angriffen und dem Einmarsch Russlands am 24. Februar 2022. Der Krieg begann bereits 2014, wie mittlerweile selbst NATO-Generalsekretär Stoltenberg einräumt. Erinnern wir uns an das Eingeständnis von Victoria Nuland, damals die für Europa zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium, international bekannt geworden mit ihrem „Fuck the EU“. Laut Victoria Nuland haben die USA damals 5 Milliarden Dollar in einen Regime-Change-Putsch in Kiew gesteckt. In Folge des nationalistischen Putsches in Kiew 2014 haben sich die mehrheitlich russisch-sprachigen Gebiete im Donbass sowie die Krim losgesagt. Die Schwarzmeerhalbinsel wurde Russland eingegliedert.

Und so wie wir damals den Regime-Change-Putsch in Kiew kritisiert haben, weisen wir heute die Versuche zurück, in Serbien unter falscher Flagge einen Regime Change durchzuführen und das Land auf bedingungslosen NATO-Kurs zu bringen und in den Wirtschaftskrieg gegen Russland mit Sanktionen zu zwingen. Ein Wirtschaftskrieg, der für Serbien tödlich wäre.

Der Krieg im Donbass um die Wiedereingliederung währte acht lange Jahre. 14.000 Menschen starben in diesem Krieg. Wie wir heute wissen, hatte das seinerzeit von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande mit ausgehandelte Friedensabkommen von Minsk nicht die Befriedung der Region zum Ziel. Vielmehr sollte es der ukrainischen Putsch-Regierung in Kiew Zeit verschaffen für eine Aufrüstung und militärische Rückeroberung der Gebiete. Die NATO unter Führung der USA trägt eine große Mitverantwortung für den Krieg heute.

Auch wenn dies immer wieder von unseren Regierungen bestritten wird: Der Krieg in der Ukraine hat sich mittlerweile zu einem Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland verwandelt und einen brutalen Abnutzungskrieg, in dem Tausende junge Männer, Ukrainer wie Russen, für ein paar Quadratmeter Land sinnlos sterben müssen, ohne Perspektive auf einen militärischen Sieg auf dem Schlachtfeld.

Über Waffenlieferungen und militärische und geheimdienstliche Hilfen für die Ukraine sind NATO-Mitglieder am Krieg beteiligt. Allen voran die USA, die im vergangenen Jahr 43 Milliarden Euro an Waffen für Kiew geliefert haben. Gefolgt von Großbritannien und Deutschland, die für Milliarden Waffen geliefert haben, oder auch Polen. Allein diese vier NATO-Mitglieder haben zusammen mit der EU zudem über 60 Milliarden Euro an finanziellen Hilfen für die Ukraine geleistet.

Die 30 NATO-Staaten haben 2022 zusammen rund 1,1 Billionen Euro für Militär und Rüstung ausgegeben – so viel wie alle anderen Staaten der Welt zusammen. Die USA allein gaben 2022 mit 877 Milliarden US-Dollar zehnmal so viel für Militär aus wie Russland. Diese Hochrüstung verschärft global die Kriegsgefahr.

Und es ist brandgefährlich, dass jetzt die deutsche Bundesregierung eine Kampftruppen-Brigade der Bundeswehr in Litauen stationieren will. Im Nachbarland Russlands soll die größte deutsche Militärbasis im Ausland errichtet werden. Das ist kein Beitrag zur Deeskalation des Ukraine-Konflikts. Die Entscheidung ist eine grundlegende Abkehr von bisherigen Vereinbarungen durch die Bundesregierung und der NATO. Mit der dauerhaften Stationierung von bis zu 4000 deutschen Soldaten und dem Bau eines permanenten deutschen Militärvorpostens im Baltikum wird die NATO-Russland-Grundakte vom Mai 1997 von Seiten der NATO endgültig beerdigt.

In diesem wichtigen völkerrechtlichen Dokument versichert die NATO, „zusätzlich substanzielle Kampftruppen“ werde das Bündnis nicht „dauerhaft“ in den Staaten des ehemaligen Ostblocks stationieren. Die NATO hatte erst in diesem April erneut betont, dass sie sich „voll und ganz“ an die NATO-Russland-Grundakte halten wird. Selbst Sicherheitsexperten regierungsnaher Denkfabriken wie der SWP und ranghohe Bundeswehr-Generäle warnten vor so einem Schritt, wie die NZZ berichtet hat.

Ich finde: Wir müssen Druck machen dafür, die in der NATO-Russland-Grundakte vereinbarten Mechanismen der Konsultation und Kooperation wiederzubeleben, statt mit der Entsendung immer weiterer Waffen in die Ukraine und der Errichtung von permanenten NATO-Stützpunkten an die Westgrenze Russlands die Eskalation weiter zu befeuern. Dieser Wahnsinn muss beendet werden. Und deshalb setzen wir uns ein für einen sofortigen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen und eine diplomatische Lösung.

Wir unterstützen die irische Linke und die Anti-NATO-Bewegung auf der Insel in ihrem Kampf um die Verteidigung der Neutralität. Die Neutralität ist etwas ganz Kostbares in diesen Zeiten. Denn nur wer sich die Neutralität bewahrt, bewahrt sich auch die demokratische Souveränität.

Viele Staaten im globalen Süden müssen in diesen Zeiten die Erfahrung machen, dass die NATO-Staaten ihre Neutralität nicht akzeptieren wollen, sondern sie dazu zwingen wollen, sich dem Wirtschaftskrieg gegen Russland mit Sanktionen und den Waffenlieferungen an die Ukraine anzuschließen. In einer Art Neokolonialismus will man den Ländern im Globalen Süden vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Jüngstes Beispiel ist die rechte Pro-NATO-Regierung Finnlands, die afrikanischen Staaten, die ihr infolge ihres Abstimmungsverhaltens in der UNO als zu pro-russisch erscheinen, die Entwicklungshilfe streichen will.

Die Neutralität auch in diesen Zeiten zu verteidigen, ist die Verteidigung von Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie selbst.

Unsere Solidarität gilt den Linken und Indigenen-Bewegungen in Peru, die für die kommenden Wochen Proteste ankündigen gegen die Absetzung des linken Präsidenten Pedro Castillo und seine Inhaftierung seit vergangenem Dezember. Die mit ihrem Marsch für Gerechtigkeit und für Neuwahlen protestieren. Die auf die Straße gehen gegen die ungeheure Polizeigewalt, in deren Folge in den ersten Wochen des Jahres mehr als 60 Demonstranten getötet und Tausende verletzt wurden. Die interamerikanische Menschenrechtsorganisation spricht von regelrechten Massakern an den Indigen. Die protestieren gegen die Putsch-Regierung von Dina Boluarte, die die Verantwortlichen deckt, die versucht, beim kommenden CELAC-EU-Gipfel in Brüssel internationale Legitimität zu organisieren und die dabei ist, linke Parteien in Peru zu verbieten, weil sie sich für eine verfassungsgebende Versammlung einsetzen. Wir sagen, wir stehen an der Seite der indigen Bevölkerung in ihrem Kampf um Freiheit und Demokratie.

Und liebe Freundinnen und Freunde,

so, wie es unsere Verantwortung ist, uns mit Linken weltweit zu solidarisieren, ist es auch unsere Verantwortung, hier die Kraft zu sein für soziale Gerechtigkeit und Frieden. Um Gerechtigkeit hier im Land zu schaffen und Frieden weltweit. So oder so.

Vielen Dank.