- Agnieszka Wolk-Laniewska, Journalistin, Kolumnistin für die nationalen Wochenzeitung NIE – links, werbefrei
- Beata Machul-Telus, PhD, Politikwissenschaftlerin und Pädagogin. Präsident des Vereins für die Entwicklung der Zivilgesellschaft PRO HUMANUM
- Maciej Wisniowski, PhD, Journalist, Reporter, Gründer und Inhaber des Nachrichtenportals „Strajk.eu“
(Das Interview wurde von Agnieszka Wolk-Laniewska geführt.)
Ihr habt eine Grußadresse an die Demonstration in Berlin am 25.11. geschickt. Was war Euer Motiv?
Wir sind zutiefst besorgt über den fast einhellige Kriegsbegeisterung, die alle Seiten der politischen Szene in Polen vereint. Von der nationalistischen Rechten – der bis vor kurzem noch regierenden Partei PiS – über die derzeit regierende Bürgerplattform, d.h. Koalitionspartner von der Mitte- bis Mitte-Links, und bis hin zur alternativen Linken – alle Kräfte in der polnischen Politik sind begeistert von Rüstung, Militärausgaben und Waffenlieferungen an die Ukraine; „Frieden“ ist zu einem Schimpfwort geworden. Wir glauben, dass es eine Stimme der Vernunft und der Mäßigung notwendig ist; wir wissen, dass wir es nicht allein schaffen können. Obwohl es derzeit in vielen Teilen der polnischen Gesellschaft eine tiefe antieuropäische und vor allem eine antideutsche Stimmung gibt, gibt es immer noch einige Menschen, vor allem in der progressiven Linken, die die Idee der Zusammenarbeit mit paneuropäischen Partnern respektieren und internationale Unterstützung für fortschrittliche Ideen aufbauen. Wir glauben, dass das Wissen, dass es eine europäische Antikriegsbewegung gibt, viele von ihnen ermutigen kann, ihre Meinung zu äußern.
In Eurem Grußwort sagt Ihr einerseits, dass die Kriegspropaganda der Regierung und der Medien Wirkung zeigt, und andererseits die sozialen Folgen spürbar sind. Warum wird kein Zusammenhang zwischen dem Krieg und den Angriffen auf soziale Leistungen, um die Kosten des Krieges zu finanzieren, hergestellt? Bezieht keine Partei Stellung zu dieser Frage des Krieges?
Es geht vor allem um die Frage der Zensur: Alle Stimmen, die sich gegen die Aufrüstung aussprechen, werden als „pro-russisch“ abgestempelt, was auf der polnischen politischen Bühne der Todeskuss ist. Und es ist in Polen nicht ganz so: Wir können nicht gerade von mit dem Krieg verbundenen „Angriffen auf soziale Leistungen“ sprechen; die meisten sozialen Dienste in Polen sind in einem sehr schlechten Zustand; sie waren es schon lange vor dem Krieg. Das öffentliche Gesundheitswesen und das öffentliche Bildungswesen haben sich aufgrund der Rüstungsausgaben nicht gerade verschlechtert – es gibt nur keine der dringend benötigten Verbesserung. Und es gab keinerlei Kürzungen bei den Sozialausgaben –die seit der PiS-Regierung (Familienleistungen, zusätzliche Rentenzahlungen usw.) ziemlich akzeptabel sind, – weil es für die neue Koalition politischer Selbstmord gewesen wäre. Es gibt Ökonomen, die sagen, dass beides sowohl die Militär- wie auch die Sozialausgaben auf lange Sicht nicht aufrechterhalten werden können – aber natürlich rät niemand, die Militärausgaben deswegen zu kürzen.
In Deutschland wird der Sieg von Donald Tusk gefeiert. Wie seht Ihr das? Welche Auswirkungen hat sein Sieg auf die Kriegspolitik der Regierung? Verfolgt er eine Eskalation des Krieges?
Donald Tusk ist definitiv pro-EU – sein wichtigstes Verkaufsargument ist „der einzige Staatsmann von europäischem Format in Polen“ zu sein. Und er wird von der PiS als Einflussagent für Deutschlands gesehen; so ist verständlich. dass er gefeiert wird. Aber sein Sieg wird, wenn überhaupt etwas, die Dinge nur noch schlimmer machen. Am Ende ihrer Amtszeit distanzierte sich die PiS selbst von der Ukraine – wenn auch aus nationalistischen Positionen – um der wachsende Zahl von Polen entgegenzukommen, die genug von den Ukrainern haben. Im September sagte Ministerpräsident Morawiecki sogar, dass Polen keine Waffen mehr an die Ukraine liefern werde (es war mitten im „Getreidekrieg“, nachdem Selenskyj Polen in den Vereinten Nationen beschuldigt hatte, „die Szene für den Moskauer Schauspieler vorzubereiten“). Tusk wird Wert darauflegen, pro-ukrainischer zu sein als die Ukraine selbst.
Frage:
Plant Ihr im Februar eine Veranstaltung zum Thema Gegen den Krieg – Gegen den sozialen Krieg? Was ist das Ziel?
Wir fürchten, eine Demonstration ist für uns nicht zu realisieren – aber eine Veranstaltung ist eine Möglichkeit. Es gibt ein paar bekannte und angesehene Intellektuelle, die wegen ihrer wenig enthusiastischen Ansichten über die „Kriegsanstrengungen“ ausgegrenzt werden. Wir denken, einige von ihnen können von einer Teilnahme überzeugt werden. Das Ziel ist eher minimalistisch – durch soziale Medien, die Wochenzeitung NIE, das Internet-Portal „Strajk.eu“ usw. anderen Gleichgesinnten zu zeigen, dass „andere Politik möglich ist„. Während der
Während der Veranstaltung möchten wir den Bann über das Worts „Frieden“ brechen – um an seinen Stellenwert und seine Bedeutung in der Welt zu erinnern. Das derzeitige politische und mediale Narrativ in Polen hat „Frieden“ zu einem hässlichen Wort gemacht, das nur mit dem Slogan Русский мир (Russkiy mir – Russischer Frieden) assoziiert wird. Frieden ist ein unterschätzter Wert, und wir glauben, dass wir mit diesem kleinen intellektuellen Disput dazu beitragen können, ein anderes Narrativ zu eröffnen.
Wie seht Ihr die Möglichkeiten für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Europäischen Verbindungskomitee?
Wie wir schon eingangs sagten, haben wir keine Erfahrung mit solchen Aktivitäten – also folgen wir lieber Eurem Beispiel. Wir sind eine Gruppe von Menschen mit sehr kleinen Organisationen und keinerlei Finanzierung. Wir haben einige Kontakte zu einigen klugen Leuten, die, wie wir hoffen, davon überzeugen können, kostenlos an unserer Konferenz teilzunehmen, und wir haben einen Veranstaltungsort, der im Besitz von PRO HUMANUM ist (gemietet), wo wir ein Treffen oder eine Konferenz organisieren können. Es ist nicht viel, aber wir glauben, aber wir glauben, dass wir durch die Organisation von Veranstaltungen mit der Teilnahme einiger weniger, maßgeblicher Anti-Kriegs-Intellektueller sowie durch das Agieren in den Medien jenseits der Reichweite der informellen Zensur, die in unserem Land in Kraft ist, die Basis von Gleichgesinnten allmählich verbreitern können. Wir wollen unseren eigenen Beitrag zum Kampf für Frieden und soziale Gerechtigkeit leisten – und für ein Europa ohne ideologische Schranken.