Gotthard Krupp (EVK): Eröffnungsrede auf der Europäischen Konferenz am 2. November 2024

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

im Namen der deutschen Koordination des „Europäischen Verbindungskomitee gegen Krieg – gegen den sozialen Krieg“ (EVK) begrüße ich Euch herzlich in Berlin.

Vor mehr als einem Jahr, am 8. Juli 2023, haben wir es auf unserer Europäischen Konferenz, als unseren Auftrag definiert, die Widerstandskräfte gegen die kriegstreibende, sozialzerstörerische und antidemokratische Politik der Regierungen auf europäischer Ebene zu vereinen und so auch in jedem unserer Länder zu stärken.

Am 30. September haben wir mit diesem Ziel das „Europäische Verbindungskomitee gegen den Krieg – gegen den sozialen Krieg“ konstituiert.

Heute, in einer Situation, in der wir neben dem Ukraine-Krieg in Nahost mit dem völkermörderischen Krieg von Netanjahu gegen das palästinensische Volk und seine Ausweitung auf den Libanon und darüber hinaus konfrontiert sind, zeigt sich, wie richtig die Entscheidung zur Gründung des EVK war.

Ich will an dieser Stelle nicht auf die gesamte Bilanz unserer Arbeit eingehen. Ich will hier nur auf die Konferenz in Oslo und die Balkankonferenz in Belgrad hinweisen, die im Vorfeld unserer heutigen Konferenz stattgefunden haben.

Der Ukraine-Krieg, in dem schon mehr als eine Million ukrainischer und russischer Soldaten getötet oder verwundet wurden, aber noch mehr der Genozid-Krieg, in dem über 42.000 Palästinenser, viele Frauen und Kinder, getötet, Dörfer und Städte verwüstet wurden, haben Millionen Menschen in Europa und weltweit zu Protesten und Demonstrationen mobilisiert.

Dieser Krieg gegen das palästinensische Volk trifft auch das Westjordanland, und mündet heute in einen Krieg gegen den Libanon. Unter US-Kommando bereiten sie den Krieg gegen Iran vor.

US-Präsident Biden, unterstützt Netanjahu weiterhin mit milliardenschweren Waffenlieferungen, während der deutsche Bundeskanzler Scholz gerade eine Verdoppelung der Rüstungsexporte nach Israel versprochen hat. Alle Regierungen in Europa tragen Verantwortung für den Genozid in Palästina.

Die ukrainische Offensive auf russischem Territorium wie bei Kursk, wie auch die von Biden geplante Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Deutschland mit der Reichweite bis tief nach Russland hinein, signalisieren, dass die US-Regierung, die Nato, die EU und alle europäischen Regierungen auf Eskalation setzen und zum großen Krieg gegen Russland rüsten.

In Palästina geht es um das Existenz- und Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes. In der Ukraine geht es vor allem um Rohstoffe im Wert von ca. 10 Billionen US Dollar, für die gestorben wird.

Wir sind uns einig in unserem Kampf für die Forderungen:

  • Sofortiger Stopp des Massakers an der palästinensischen Bevölkerung!
  • Stopp aller Waffenlieferungen in die Ukraine wie an Israel! Sofortiger Waffenstillstand in Palästina und der Ukraine!
  • Nein zu jeder militärischen Intervention der NATO-Truppen in der Ukraine!

Und ich möchte hinzufügen:

  • Stopp der Kriegsverbrechen der Netanjahu-Regierung in Nahost, im Mittlerem Osten!

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

in allen europäischen Ländern erleben wir immer massivere Angriffe auf die demokratischen Freiheiten, um jeden Widerstand zu ersticken. Demonstrationen, Versammlungen, Studentencamps für die Verteidigung des palästinensischen Volkes werden verboten oder mit Polizeigewalt aufgelöst, das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Demokratie wird ausgehöhlt. Wer für den Frieden auf die Straße geht, wird als rechtsoffen, oder als Putin-gesteuert diffamiert, wer die Kriegsverbrechen Israels anklagt, wird als Antisemit verunglimpft.

Lasst mich eines hinzufügen. 80 % der Jugendlichen in Deutschland fürchten einen Krieg in Deutschland. Sie wollen nicht als Kanonenfutter an die Front. Sie haben Recht, wie auch die Hunderttausende Jugendliche aus der Ukraine und Russland, die vor dem Krieg fliehen. Ihnen gehört unsere ganze Solidarität!

Erlaubt mir am Beispiel aus Deutschland zu zeigen, wie die Regierung Scholz den Krieg vorbereitet:

Auf der militärischen Ebene:

  • Die Schaffung eines neuen Nato-Hauptquartiers für die Ukraine in Wiesbaden
  • Ein Nato-Führungszentrum in Rostock für den See-Krieg in der Ostsee wurde vor wenigen Tagen eingeweiht.
  • Die schon genannte Stationierung von US-Mittelstrecken Waffen in Deutschland.

Auf der zivilen Ebene:

  • Das Gesundheitswesen wird kriegstauglich umgestaltet. Durch die Ambulantisierung, d.h. durch Umwidmung vieler stationärer Krankenhäuser werden die Betten verlegbar wie ein Feldlazarett. Man rechnet mit 1000 verletzten Soldaten täglich.
  • Wenige Kilometer von hier entsteht eines der größten und modernsten Bevölkerungsschutzzentren in Deutschland. Es kann 5.000 Menschen im Krisenfall autark versorgen – als Beispiel einer Krise wird u.a. der Ukrainekrieg genannt.
  • Die Zivilklauseln, die Militärforschung an den Unis verbieten werden gekippt, die Schulen als Rekrutierungsfeld für die Bundeswehr geöffnet.

Auf der ökonomischen Ebene:

  • Der verstärkte Aufbau einer Rüstungsindustrie. Horrende Milliarden Investitionen werden von der zivilen Produktion in die Rüstungsproduktion umgeleitet. Entlassene Arbeiter aus der bankrotten Autoindustrie finden einen neuen Arbeitsplatz bei den Rüstungskonzernen.

Um die Kosten des Kriegs zu bezahlen, entfesselt die Regierung den sozialen Krieg gegen das eigene das Volk.

Ich will nicht alle Beispiele wiederholen, die wir schon oft analysiert haben. Ob die Reallöhne, die Rente, die soziale Sicherheit, ob Krankenhäuser, Schulen oder Universitäten, der deutsche Sozialstaat, alle sozialen Errungenschaften der Völker werden demontiert.

Um es hier nur kurz zu nennen:

Deutschland, die stärkste Industriemacht in Europa leidet besonders unter dem brutalen Wirtschaftskrieg, den der US-Imperialismus gegen Europa führt.

Die Sanktionspolitik gegen Russland und das Abschneiden von den russischen Rohstoffen wie Gas haben die deutsche Wirtschaft schwer geschädigt. Die hohen Energiekosten führen zu einer Abwanderung der Industrie aus Deutschland.

VW will zum ersten Mal seit über 80 Jahren drei Werke schließen. 250.000 bis 300.000 Arbeitsplätze in der deutschen Metall- und Elektroindustrie sind bedroht.

Doch der Widerstand wächst. Deutschland erlebt die größten Streikwellen zur Verteidigung der Reallöhne, die Zahl der Streiktage allein im Bereich von ver.di haben sich vervierfacht. Die zahlreichen Betriebsstillegungen und der Abbau von Arbeitsplätzen werden – wie es sich jetzt bei VW ankündigt – neue Kämpfe provozieren.

Auf der Demonstration am 3. Oktober in Berlin demonstrierten viele Gewerkschafter, im Konflikt mit einer Gewerkschaftsführung, welche die Kriegspolitik der Regierung unterstützt und die jeden Zusammenhang des Krieges mit den Angriffen auf die sozialen Errungenschaften leugnet. Diese Erfahrungen gibt es sicher auch in anderen Ländern…

Ihr werdet berichten können.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Der Widerstand hat sich auch in den Wahlen ausgedrückt. Das BSW, die Partei um Sahra Wagenknecht, lehnt die Waffenlieferungen an die Ukraine und an Israel konsequent ab, und hat von Anfang an gegen die Kriegspolitik der Regierung mobilisiert.

Diese Partei ist im Bundestag die einzige politische Kraft, die dem Nein der gesellschaftlichen Mehrheit zu den Kriegen und dem Völkermord in Palästina eine Stimme gibt.

Während die Regierung Scholz von über 80 % der Bevölkerung abgelehnt wird, erreichte in den letzten drei Landtagswahlen das BSW historische Erfolge. Hinter diesen Entwicklungen steht das Nein breiter Schichten der Bevölkerung gegen den Krieg, gegen den sozialen Krieg.

In verschiedenen anderen Ländern gibt es ähnliche Entwicklungen. Die Kollegen und Kolleginnen werden uns sicher berichten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

heute sind wir, Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden, Norwegen, Polen, Griechenland, Serbien, Rumänien, Griechenland; Kroatien und Mazedonien, hier versammelt.

Wir alle sind gewerkschaftlich aktiv, unterschiedlich politisch organisiert, haben verschiedene Traditionen. In manchen Fragen sind wir sicher unterschiedlicher Meinungen.

Ich habe auch gelernt, dass in den einzelnen Ländern gleiche Bewegungen existieren, die Situationen aber auch sehr verschieden sind. So sind die Kollegen und Kolleginnen in Norwegen, wo keine der etablierten Parteien gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist, dabei, eine neue Antikriegspartei aufzubauen.

Ähnliche Entwicklungen haben wir in Serbien und Schweden.

Aber die erste Bilanz des EVK zeigt, dass wir in gegenseitiger Respektierung unserer jeweiligen Erfahrungen und Meinungen Differenzen weiteren Diskussion überlassen können.

Der Friede zwischen den Völker, dass ist das zentrale Anliegen der Arbeiterbewegung. Ohne vergleichen zu wollen, möchte ich an ein historisches, die Geschichte der Arbeiterbewegung prägendes Ereignis erinnern.

Vor 160 Jahren wurde die erste Arbeiterinternationale gegründet, unter maßgeblicher Beteiligung von Karl Marx und Friedrich Engels. Auf der internationalen Arbeiterversammlung in St. Martin’s Hall vom 28. September 1864, also vor 160 Jahren, schrieben Vertreter der englischen Arbeiter in ihrer Adresse: „Lasst uns über die großen Fragen diskutieren, von denen der Friede der Nationen abhängt.“

Ich würde heute, ohne unsere Versammlung mit diesem historischen Ereignis zu vergleichen, sagen: Lasst uns heute dafür Handeln. „Nicht erst wenn der Krieg 1.000 Soldaten pro Tag tötet, wenn die Freiheiten durch Zensur und Kriegsrecht unterdrückt werden, kann man den Krieg bekämpfen, sondern vorher, wenn man sich noch organisieren und demonstrieren kann. DIESES MAL MÜSSEN SIE VORHER GESTOPPT WERDEN!“

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