Rede von Marcus Carlstedt, Gewerkschafter im Bildungsbereich, Schweden, auf der Europäischen Konferenz am 2. November 2024

Liebe Freunde und Genossen,

ich bin Gewerkschaftsdelegierter in der Lehrergewerkschaft in Stockholm und Mitglied der nationalen Verhandlungsdelegation. Ich bin hier als Vertreter der neu gegründeten Partei Solidaritet (Solidarität).

Zunächst möchte ich die Bedeutung dieser Konferenz in einer Situation betonen, die von der Entwicklung reiner Barbarei auf der ganzen Welt geprägt ist. Vergessen wir nie, was gerade jetzt im Gazastreifen, im Libanon, im Westjordanland und in den Schützengräben in der Ukraine vor sich geht. Lasst uns das unter uns präsent sein!

Alle Ausdrucksformen, von denen wir auf dieser Konferenz über die Barbarei gehört haben, sind auch in Schweden präsent. Was ich speziell für Schweden anspreche, ist die vollständige Integration Schwedens und Finnlands in die NATO. Dies ist natürlich ein historisches Ereignis und aufgrund der geografischen Lage Schwedens und Finnlands für die NATO selbst von großer Bedeutung. Wenn Ihr die „geleakte“ Karte über den Truppentransport im Falle einer Eskalation des Krieges gesehen habt, dann wisst Ihr, dass einer der Hauptwege über Norwegen, Schweden und Finnland zur russischen Grenze führt.

Was gerade passiert, ist die Vorbereitung für die Stationierung schwedischer Truppen in Lettland an der russischen Grenze. Außerdem die Stationierung schwedischer Militärflugzeuge in der integrierten NATO-Verteidigung der Ostsee, wobei die schwedischen Militärflugzeuge von Arbeitern in Schweden von der Firma Saab hergestellt werden, die einige von Euch vielleicht als Autohersteller kennen, die aber geschlossen wurde und jetzt nur noch Militärprodukte herstellt.

Dann haben wir das berühmte Verteidigungsabkommen – DCA – zwischen Schweden und den USA. Es geht um das Recht der US-Streitkräfte, 17 Militärstützpunkte in Schweden einzurichten. Eine Art Deckmantel für die Schaffung echter US-Stützpunkte, denn sie haben das Recht, diese Stützpunkte umzubauen, einschließlich der Gebäudeteile, die für die schwedischen Behörden geschlossen werden. 17 Stützpunkte in Schweden! Ich empfehle Euch, dieses Abkommen zu lesen, aber ich möchte auf einen Punkt hinweisen, der normalerweise nicht diskutiert wird. Es gibt einen ziemlich langen Absatz über das Recht der USA, ihre eigene Militärpolizei einzusetzen, und es entsteht der Eindruck, dass sie sich auf eine große Anzahl von US-Soldaten in Schweden vorbereiten. Andernfalls wäre diese detaillierte Beschreibung, wie die Militärpolizei die Soldaten in Schach halten soll, nicht nötig.

Außerdem arbeitet Schweden natürlich in allen Bereichen mit Israel zusammen: Militär, Wissenschaft, Austausch zwischen Universitäten, Wirtschaft und so weiter. Schweden gehört also zu den Regierungen, die für die derzeit stattfindenden Gräueltaten mitverantwortlich sind.

Zu all diesen von mir erwähnten Fragen gibt es eine massive Propaganda, einschließlich Angriffen auf alle Formen des Widerstands. Angriffe auf die Tausenden von Teilnehmern an den Demonstrationen gegen die Massaker in Palästina, die jede Woche in mehreren schwedischen Städten stattfinden.  Sie werden als „Antisemiten“ beschuldigt. Angriffe gibt es auch auf die Gewerkschaften, auf Gewerkschaftstreffen gegen die Massaker, die nicht so zahlreich sind, aber es gibt sie. Ich habe damit persönliche Erfahrungen gemacht, als ich versuchte, ein Treffen innerhalb der Lehrergewerkschaft zu organisieren, das sowohl von innerhalb der Gewerkschaft selbst als auch von außerhalb angegriffen wurde, unter anderem von zionistischen Kräften, die uns in den Medien kritisierten.

Auch Mitglieder der Linkspartei werden angegriffen. Einige ihrer Mitglieder wollen sich bei der Verteidigung der Palästinenser noch stärker engagieren und werden in den Medien, von den rechten Parteien und der extremen Rechten bloßgestellt und angegriffen, wobei die Besonderheit darin besteht, dass die Führung der Linkspartei selbst diese Angriffe fortgesetzt hat. Es gab mehrere Ausschlüsse aus der Linkspartei, darunter auch von Führungskräften auf regionaler Ebene, die zum Austritt gezwungen wurden, und ein gewählter Gemeinderat wurde ausgeschlossen. Viele andere sahen sich aufgrund der Angriffe gezwungen, die Linkspartei zu verlassen.

Hunderte Palästinenser und Aktivisten, die an den Demonstrationen zur Verteidigung Palästinas teilgenommen haben, wenden sich nun von der Linkspartei ab. In dieser Situation haben wir letzte Woche eine neue Partei gegründet. Das Grundsatzprogramm dieser neuen Partei könnte durch die folgenden Punkte unseres europäischen Appells zusammengefasst werden:

– Stoppt den Völkermord am palästinensischen Volk!

– In Palästina wie in der Ukraine: sofortiger Waffenstillstand!

– Stoppt die Waffenlieferungen!

– Nein zu jeglicher militärischer Intervention durch NATO-Truppen in der Ukraine!

Ich möchte noch einen weiteren Punkt hinzufügen, der für diese neue Partei von zentraler Bedeutung ist, nämlich die klare und eindeutige Unterstützung für eine Ein-Staaten-Lösung in Palästina – vom Fluss bis zum Meer!

Ihr könnt euch vorstellen, dass wir von den Medien und anderen Parteien angegriffen werden, aber die Gründung dieser neuen Partei ist ein äußerst wichtiger Schritt. Und der Prozess geht weiter. Am Tag vor der Gründung unserer Partei wurde ein weiterer lokaler Parteiführer der Linken ausgeschlossen. Das bedeutet, dass nun Hunderte von Aktivisten versuchen, eine neue Partei zu gründen. Natürlich versuchen wir, unsere Kräfte zu bündeln.

Das ist nicht einfach, es wird eine sehr schwierige Aufgabe sein, diese Partei aufzubauen, gegen die Unterdrückung und all die schmutzigen Methoden, die angewendet werden, um uns zu verleumden, aber ich möchte mit einem positiven Ton schließen. Wie einige von Euch, insbesondere der Delegierte aus Frankreich, erwähnt haben, ist die Situation innerhalb der Gewerkschaften wichtig. Es gibt ein wichtiges Beispiel: die örtliche Gewerkschaft der großen Scania-Lkw-Fabrik, die ein riesiges Werk direkt außerhalb von Stockholm betreibt. Die Gewerkschaft dieses Werks hat 4.800 Mitglieder. Vor ein paar Wochen haben sie eine Erklärung mit dem Titel „Verurteilung“ abgegeben. Und was sie verurteilen, ist der Völkermord in Palästina.

Noch wichtiger ist, dass sie in derselben Erklärung die Frage aufwerfen, ob es richtig ist, weiterhin Lastwagen nach Israel zu exportieren. Dies ist der Beginn einer Bewegung, die tatsächlich den Versand von Waffen und anderen von der israelischen Armee genutzten Einrichtungen blockieren kann.

Übrigens versucht einer der Sprecher unserer Partei – ein ehemaliger Abgeordneter der Linkspartei und derzeitiger Präsident von Ship to Gaza – die Dockworkers Union zu überzeugen. Eine unabhängige Gewerkschaft, die in vielen wichtigen Fragen einen unabhängigen Standpunkt vertritt, auch auf internationaler Ebene durch ihr Netzwerk. Leider haben sie bisher nichts unternommen, um die Waffenlieferungen nach Israel zu blockieren. Wir versuchen nun, mit ihnen eine Diskussion zu eröffnen, inspiriert von den Ereignissen in Italien, im Hafen von Genua usw.

Vielen Dank, Genossen, lasst uns weiterkämpfen!

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