Liebe Freundinnen und Freunde,
vielen herzlichen Dank, dass ich auf dieser Veranstaltung sprechen darf, zumal ich keiner Organisation angehöre und so quasi ein Freier Radikaler bin.
Ehrlich gesagt, habe ich auch mit der Friedensbewegung nicht viel anfangen können, zu alt und auch etwas angestaubt, allerdings habe ich dann nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 doch festgestellt, dass es sich bei der Kriegsfrage um einen antagonistischen Widerspruch handelt und dass es wichtig ist, hier Position zu beziehen. Umso erstaunter war ich, als ich bemerken musste, dass viele Leute aus meinem politischen Umfeld plötzlich NATO-Positionen vertraten.
Ich habe mich dann dem Bündnis Heizung Brot und Frieden angeschlossen, das auch eines der ersten war, die die soziale Frage und die Frage des Krieges miteinander verbunden haben, was viele Gruppierungen bis heute nicht machen.
Entweder sie beschäftigen sich mit der Friedensfrage und lassen die soziale Frage außen vor oder sie beschäftigen sich ausschließlich mit der sozialen Frage, wie die Gewerkschaften, lassen dafür aber die Kriegsfrage unbeachtet. Oder die Linkspartei, die es bis heute nicht schafft, eine klare Haltung zum Krieg in der Ukraine oder in Gaza zu beziehen.
Das gehört aber zusammen, denn im Schatten des Krieges und der Kriegswirtschaft wird eben auch ein Krieg gegen die Bevölkerung geführt und deshalb ist so eine Konferenz wie die unsere, mit diesem Titel auch so wichtig und macht Mut.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch über etwas anderes sprechen, und zwar darüber, wie die Militarisierung nicht nur unsere materiellen Grundlagen zerstört, sondern wie die Kriegshetze und die immer größer werdenden Bereitschaft, sich abzuschotten, Mauern zu bauen und sämtliche Konflikte mit Gewalt zu lösen, unsere Gesellschaft zersetzt.
Ich möchte darüber sprechen, wie der Krieg und die Kriegsrhetorik unsere Seelen vergiftet und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstört und wie die weltweite Kriegsbegeisterung eben auch nach innen wirkt.
Wir sehen das jeden Tag. Obdachlosigkeit, Drogenhandel, Jugendkriminalität, Gewaltdelikte – die Schlagzeilen sind voll davon.
Die konservativen, die Rechten, aber auch mittlerweile die Liberalen schreien dann nach mehr Polizei und härteren Strafen. Sie beklagen den Wertezerfall (wobei man fragen muss, welche Werte sie eigentlich meinen) und sie beklagen einen moralischen Niedergang. Aber wir wissen doch alle – das hat wenig mit Moral zu tun – diese Zerstörung von Gesellschaft hat eine materielle Grundlage und das ist die Krise eines Wirtschaftlichen Systems, das ist die Krise des Kapitalismus, der sich nur noch mit brutalster Gewalt an der Macht halten kann.
Und das können wir in der Welt beobachten, genauso wie wir das im Innern beobachten können.
Wisst Ihr, ich arbeite in einem Jugendzentrum in Berlin Kreuzberg und zu uns kommen viele Kinder, deren Eltern aus Palästina oder dem Libanon fliehen mussten. Wir arbeiten in einem sogenannten Brennpunktviertel und es gibt auch immer wieder Spannungen unter den Kindern und Jugendlichen.
Wie aber soll ich diesen Kindern und Jugendlichen erklären, dass sie ihre Konflikte friedlich lösen sollen, wenn sie mir im selben Moment Tiktok-Video zeigen, in denen man sehen kann, wie Verwandte, Freunde oder Bekannte bei lebendigem Leib verbrennen.
Wie soll ich ihnen erklären, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind, wenn die Hetze über Migrantinnen und Migranten immer lauter wird.
Wie soll ich ihnen von den Werten der westlichen Gesellschaft erzählen, wenn ihre Demonstrationsfreiheit eingeschränkt wird und ihnen immer wieder mitgeteilt wird, dass sie Menschen zweiter Klasse sind.
Wie soll ich ihnen irgendwas von Menschenrechten erzählen, wenn sie genau sehen, dass diese Menschenrechte gar nicht für alle gleichermaßen gelten und diese Menschenrechte vom Westen immer sehr unterschiedlich verteilt werden.
Wie soll man so eine Heuchelei rechtfertigen. Wie kann man so eine Doppelmoral erklären.
Wie soll man diese Kinder zu Offenheit und Toleranz erziehen, wenn an den Grenzen Europas eine mörderische Abschottungspolitik praktiziert wird und tagtäglich Flüchtlinge ertrinken, zusammengeschlagen und abgeschoben werden.
Dann ist es doch fast logisch, dass sich diese Spannungen in spontanen Unruhen, in gewalttätigen Ausschreitungen und nihilistischen Riots entladen.
Es ist doch verlogen, wenn man dann Krokodilstränen über die Silvesterkrawalle vergießt, aber die Ursachen nicht benennt.
Nein. Diese Spannungen werden nicht verschwinden. Die lassen sich nicht wegmoderieren. Die bürgerliche Gesellschaft ist bankrott und sie wird diese Spannungen nicht mehr auflösen können. Die bürgerliche Ordnung ist am Ende.
Wir selbst müssen bei diesem Prozess allerdings dafür arbeiten, dass sich diese gesellschaftlichen Verwerfungen nicht in einem Krieg jeder gegen jeden entladen und dass wir uns nicht dazu hinreißen lassen, uns gegenseitig zu bekämpfen.
Aus diesem Grund müssen wir die Verhältnisse nutzen und sie gegen jene richten, die uns diese Verhältnisse eingebrockt haben.
Und wenn sie uns zu den Waffen rufen, dann müssen wir die Waffen umdrehen und gegen jene richten, die uns in den Krieg schicken wollen. Selbstverständlich nur als Kunstaktion und als revolutionäre Performance, denn in der Kunst ist alles erlaubt.
Liebe Freundinnen und Freunde, vor über 100 Jahren hat Rosa Luxemburg prophezeit, dass wir vor einer Entscheidung stehen. Sozialismus oder die Barbarei und wie wir wissen hat damals die Barbarei gewonnen.
Heute stehen wir vor der gleichen Frage. Sozialismus oder Barbarei? Und ich werde alles dafür tun, dass diesmal die Barbarei verliert.
Dafür müssen wir kämpfen, gemeinsam, organisiert und internationalistisch. Hoch die internationale Solidarität!