„Frieden erfordert einen Kampf, der auf internationaler Ebene, auf Klassenbasis und ohne Illusionen über das bestehende System geführt werden muss“

Interview mit Per Møller Jacobsen, Sprecher von Rødt Venstre (Rote Linke), einer neuen Partei in Dänemark, und Unterzeichner des europäischen Aufrufs „Keinen Cent, keine Waffe, kein Leben für den Krieg

Per Møller Jacobsen

Frage: Die Rote Linke hat als Organisation den europäischen Aufruf gegen den Krieg und gegen die nationale Einheit mit den kriegstreiberischen Regierungen unterzeichnet. Kannst du uns die Gründe für die Unterstützung dieses Aufrufs erläutern?

Per Møller Jacobsen: Rødt Venstre (Rote Linke) hat den europäischen Aufruf unterzeichnet, weil wir wissen, wer für Kriege bezahlt – und wer davon profitiert. Die Kriege in der Ukraine oder in Palästina werden nicht im Interesse der Bevölkerung geführt.

Sie werden aus Profitgier, geopolitischen Interessen und für die finanziellen Ergebnisse der Rüstungsindustrie geführt. Und die Arbeiterklasse muss den Preis dafür zahlen: mit Steuergeldern, Sozialabbau, Lohnkürzungen und, wenn es ganz schlimm kommt, mit ihrem Blut.

Die Regierungen fordern nationale Einheit. Das bedeutet, dass die Arbeiter schweigen sollen, während die Elite den Krieg organisiert. Aber das sind nicht unsere Kriege. Wir haben mehr gemeinsam mit denen, die in Gaza bombardiert werden und in den Schützengräben sterben, als mit denen, die über Kriege entscheiden. Wir sagen: Nein zu Rüstung und Kriegshaushalten! Nein zur nationalen Einheit mit den Kriegstreibern! Nein zum Krieg des Kapitals – ja zum Kampf der Arbeiterklasse!

Kein Cent, keine Waffe, kein Menschenleben für den Krieg.

Die sozialdemokratische Regierung Dänemarks scheint sich voll und ganz dem Krieg verschrieben zu haben: Erhöhung des Militärbudgets, Öffnung Dänemarks für US-Militärstützpunkte, Wehrpflicht für Frauen… Kannst du uns dazu mehr Details geben?

Unter Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ist Dänemark zu einem Vorreiter im Wettrüsten der NATO geworden. Das Verteidigungsbudget ist von 1,3 % des BIP auf über 3 % explodiert, und die Regierung hat die Tür für eine Erhöhung auf bis zu 5 % geöffnet, wenn „die Sicherheitslage dies erfordert”. In Wirklichkeit geht es nicht um Sicherheit, sondern darum, sich den Vereinigten Staaten anzunähern und seine Unterwürfigkeit gegenüber dieser Supermacht zu demonstrieren.

Nein zu US-Stützpunkten

In diesem Jahr wurde ein Abkommen geschlossen, das US-Truppen freien Zugang zu drei dänischen Stützpunkten gewährt – mit eigenen Regeln, eigenen Gerichten und Machtbefugnissen gegenüber dänischen Bürgern. Es handelt sich nicht um eine Partnerschaft, sondern eine Kapitulation unserer Souveränität. Die Regierung stellt dies als Notwendigkeit dar, aber in Wirklichkeit gibt Dänemark seine Unabhängigkeit auf, um sich einen Platz in „guter Gesellschaft” zu sichern.

Gleichzeitig wurde die Wehrpflicht ausgeweitet und geschlechtsneutral gestaltet, nicht aus Gründen der Gleichstellung, sondern um mehr junge Menschen in Uniform zu rekrutieren. Das ist kein Volkswille zur Verteidigung, sondern eine Mobilisierung für künftige Kriege.

Eines sollten wir nicht vergessen: Europa verfügt bereits über mehr Waffen, Panzer und Flugzeuge als Russland. Bei der Aufrüstung geht es nicht um Verteidigung, sondern darum, die Profite der Rüstungsindustrie zu steigern und durch die Kriegswirtschaft neues Wirtschaftswachstum zu schaffen. Es handelt sich um eine Klassenpolitik, die als Sicherheitspolitik getarnt ist. Die Rechnung wird der Arbeiterklasse in Form von Steuern, Sozialleistungskürzungen und mit ihrem eigenen Blut präsentiert.

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat das Rentenalter auf 70 Jahre angehoben, um die Militärausgaben zu finanzieren. Wie steht die Gewerkschaftsbewegung dazu und wie äußert sich der Widerstand?

Die Haltung der Regierung ist so unnachgiebig, dass das Rentenalter nun auf 70 Jahre angehoben wird und wieder von einer Politik der Notwendigkeit die Rede ist.

Dies geschieht zu einer Zeit, in der die Kriegshaushalte explodieren und Waffenkäufe und Militärausgaben als absolute politische Priorität angesehen werden. Wir sehen ein Dänemark, in dem die Arbeitnehmer länger arbeiten müssen, während Milliarden für Panzer und F-35-Flugzeuge ausgegeben werden. Man könnte meinen, dass die Gewerkschaftsbewegung sich dagegen auflehnt. Aber das geschieht nur zaghaft – und meist gar nicht. Dansk Metal – ein zentraler Akteur der Gewerkschaftsbewegung, eng verbunden mit den Sozialdemokraten – unterstützt die Aufrüstung. Sie sehen in der Rüstungsproduktion Arbeitsplätze und Industriepolitik, und ihre Führer betrachten ihre Mitglieder offen als loyale Unterstützerbasis für Mette Frederiksen.

Kriegspolitik wird hier zu einer Art Beschäftigungsstrategie – egal, ob dies auf Kosten des Wohlstands, des Klimas oder des Friedens geht.

Auf der anderen Seite stehen Teile der Gewerkschaft 3F, in denen einzelne Ortsverbände und Aktivisten Initiativen für den Frieden ergriffen haben, unter anderem durch die Organisation einer Friedenskonferenz. Aber selbst dabei stießen sie auf interne Hindernisse. Die führenden Kräfte der Gewerkschaftsbewegung schwiegen entweder oder unterstützten direkt die Linie der Regierung. Die Gewerkschaftsbewegung sollte eine Kraft gegen Krieg und Verfall sein, doch heute ist sie allzu oft nur noch ein Anhängsel der militaristischen Politik der Sozialdemokraten.

Das ist eine gefährliche Entwicklung. Wir brauchen einen neuen Widerstand der Arbeiterinnen und Arbeiter gegen die Militarisierung.

Ihr seid eine relativ junge Organisation, die aus einer Abspaltung der „Enhedslisten – De rød-grønne“ („Einheitsliste – Die Rot-Grünen“) hervorgegangen ist. Wie seht Ihr die Ankündigung von Jeremy Corbyn und Zarah Sultana, eine neue Partei zu gründen? Ihr seid auch Unterzeichner des Aufrufs gegen den Krieg…

Rødt Venstre (Rote Linke) ist in der Tat eine junge Organisation, die sich in Abkehr von der Akzeptanz des Kapitalismus als gegebenes Prinzip durch die „Einheitsliste“, deren Rechtsruck und Anpassung gegründet hat. Daher begrüßen wir die Ankündigung von Jeremy Corbyn und Zarah Sultana, eine neue linke Partei, eine Arbeiterpartei, in Großbritannien zu gründen, mit großer Freude. Wir betrachten dies als eine starke und hoffnungsvolle Entwicklung, die Teil eines größeren Trends ist: Während die Not der Arbeiterklasse zunimmt und die politische Führung sich vom neoliberalen Militarismus vereinnahmen lässt, ist die Linke gezwungen, aus ihrer Lethargie zu erwachen. Das gilt nicht nur für Großbritannien. Die wachsende Unterstützung für Zohran Mamdani [Kandidat der Demokratischen Partei für das Bürgermeisteramt und Mitglied der Democratic Socialists of America (DAS); d.Red.] in New York – mit seinen Forderungen nach Umverteilung, Frieden und Klimagerechtigkeit – entspringt derselben Realität.

Eine Generation von Arbeitnehmern, Jugendlichen und Unterdrückten wird sich nicht länger mit „progressiven“ Worten ohne Taten zufrieden geben.

Wir glauben, dass es notwendig ist, neue Organisationen zu gründen, die den Mut haben, klar zu sagen, dass Aufrüstung und Ungleichheit keine unglücklichen Nebenwirkungen sind, sondern das Herzstück des Systems, das wir bekämpfen und durch eine sozialistische Gesellschaft ersetzen müssen.

Die Rote Linke hat nicht nur den Antikriegsaufruf unterzeichnet. Ihr habt auch beschlossen, an der europäischen Konferenz gegen den militärischen und den sozialen Krieg im Oktober 2025 in Paris teilzunehmen. Was erwartet ihr von einer solchen Konferenz?

Wir haben den europäischen Aufruf unterzeichnet und werden auch aktiv an der europäischen Konferenz gegen militärischen und sozialen Krieg im Herbst 2025 teilnehmen, weil wir es für notwendig halten, auf internationaler Ebene mit der Hegemonie des Militarismus zu brechen. Wir hoffen, dass diese Konferenz linke Kräfte, Gewerkschafter*innen und Friedensaktivist*innen zusammenbringen wird, die sich weigern, ihren eigenen Regierungen und der NATO zu folgen.

Überall in Europa sehen wir, wie Krieg als Hebel für neoliberale Politik eingesetzt wird: Rüstung wird durch die Erhöhung des Rentenalters, Sozialabbau und die Ausbeutung der Arbeitnehmer finanziert.

Die Konferenz kann – und muss – ein Schritt zum Aufbau einer basisdemokratischen Antikriegsbewegung sein, die offen über Klasseninteressen, die Dynamik des Imperialismus und die Notwendigkeit internationaler Solidarität spricht. Wir hoffen, dass dies zu Diskussionen, zum Aufbau von Netzwerken, zur Koordination – und zu Mut – führen wird. Denn in einer Zeit, in der die Sozialdemokraten zum verlängerten Arm der Militär- und Rüstungsindustrie werden und ein Großteil der Gewerkschaftsbewegung schweigt, brauchen wir etwas anderes. Nicht nur gegen den Krieg in der Ukraine oder im Gazastreifen, sondern gegen die gesamte Kriegspolitik, die sich zu einer Dauererscheinung zu entwickeln droht.

Wir werden uns beteiligen, weil wir glauben, dass Frieden einen Kampf erfordert und dass dieser Kampf international, klassenbasiert und ohne Illusionen über das bestehende System geführt werden muss.

Veröffentlicht am 6. August 2025


Siehe auch:

>>> Kategorie: Dänemark

>>> Interviews zum europäischen Aufruf „Keinen Cent, keine Waffe, kein Leben für den Krieg“